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Der Energieausweis weiß nicht alles

 

Die thermische Sanierung eines Bestandshauses und die anschließende Umstellung der Heizung (und Kühlung) auf erneuerbare Energie sind tiefgreifende Eingriffe in das Energiemanagement des Hauses. Für die Planung ist es notwendig, vernetzt zu denken, einige wichtige Informationen über das Haus zusammenzutragen, sie zu analysieren und auf ihre Plausibilität zu überprüfen.

 

Differenzen bei der Berechnung des Heizwerts

Eine Informationsquelle ist der aktuelle Energieausweis. Ihnen können Sie einige wichtige Daten entnehmen. Auf Basis der Größe und Beschaffenheit der einzelnen Bauteile sowie der verwendeten Baustoffe kann man den Heizwert des Hauses berechnen. Allerdings ist zu beachten, dass es in Österreich gesetzlich erlaubt ist, Annahmen zu treffen und Werte einzusetzen, die nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen. Wenn man die Beschaffenheit eines Bauteils nicht kennt, zum Beispiel welche Materialien für die Fassaden verwendet wurden, ist es möglich, zeittypische Normwerte einzusetzen. In den 60er Jahren war es üblich, bestimmte Baustoffe mit einer üblichen Beschaffenheit zu verwenden, und diese Werte werden dann für die Berechnung herangezogen. Sie können jedoch stark von den tatsächlich verbauten Bauteilen abweichen und so die Berechnung verfälschen. Da nicht vorgeschrieben ist, in welchem Umfang solche Annahmen gemacht werden dürfen, kann es sein, dass, wenn das Haus schlecht dokumentiert ist und dem Ersteller die Überprüfung vor Ort zu aufwändig erscheint oder es schwierig ist festzustellen, was tatsächlich verwendet wurde, der Energieausweis größtenteils aus Annahmen besteht und daher sehr ungenau ist.

Oftmals wissen jedoch die Bewohner, woraus ihr Haus besteht, und man kann bei einer Neuberechnung Werte verwenden, die zu wesentlich genaueren Ergebnissen führen! Bei der thermischen Sanierung kann es einen großen Unterschied machen, ob die Decke unter einer Terrasse im Obergeschoss tatsächlich gedämmt wurde oder ob es für Häuser dieses Typs nur „üblich“ war.

Gehen Sie nicht davon aus, dass die Informationen von Ihrer Hausverwaltung „gewusst“ werden. Mit Glück wurden die Daten archiviert und sind immerhin vorhanden. Was sie allerdings bedeuten, wie sie zu lesen sind und mit anderen Daten verknüpft werden können, wissen die Mitarbeiter der Hausverwaltung entweder nicht, oder es fehlt die Zeit, sich so intensiv in die „Geheimnisse“ eines Objekts einzuarbeiten. Wenn man es genau wissen möchte, muss man sich leider selbst ein Bild machen und mit dem nötigen Know-how Daten verknüpfen.

Im Energieausweis finden Sie auch Angaben über den errechneten Heizwert (HZW) des Hauses. Zusätzlich dazu ist angegeben, wie viel Energie (in Kilowatt) aufgewendet werden muss, um das Haus zu heizen. Wenn Sie die Heizkostenabrechnungen der zurückliegenden Jahre einer Zentralheizung des Hauses vorliegen haben, können Sie errechnen, wie viel Energie im Haus tatsächlich verbraucht wurde. Wenn die Werte merklich voneinander abweichen, sollten Sie der Sache nachgehen und versuchen, die Ursachen dafür festzustellen.

Es ist zum Beispiel möglich, dass vor einer thermischen Sanierung ein relativ schlechter Wert für das Haus errechnet wird und in der Theorie sehr viel mehr Kilowatt „verbrannt“ werden, als zum Beispiel die Ölheizung (1 Liter Heizöl = 10 kW) tatsächlich verbraucht hat. Das ist einerseits erfreulich, andererseits wird die errechnete Einsparung beim Energiebedarf nur prozentuell so hoch sein, wie für den neuen Energieausweis in Aussicht gestellt wird.

Es ist allerdings auch möglich, dass nach der thermischen Sanierung der tatsächliche Energieverbrauch deutlich höher ist, als es nach den Berechnungen des Energieausweises sein sollte. In diesem Fall kann man davon ausgehen, dass jetzt eher den Werten laut Energieausweis zu trauen ist und man sich auf die Ursachen beim Heizsystem konzentrieren muss. Eine Möglichkeit könnte sein, dass zum Beispiel kein Hydraulikabgleich vorgenommen wurde. In Deutschland ist diese Maßnahme bei einer Heizungsumstellung vorgeschrieben, in Österreich ist das nicht notwendig, kann aber zu einem höheren Energieverbrauch von 10 bis 30 % führen.